bergundsteigen #91

Zunächst eine Bemerkung: Die Zeitschrift “bergundsteigen” hat die jahresweise Zählung aufgegeben und numeriert jetzt fortlaufend mit dem Zusatz der Jahreszeit. Die Nummer 91 gehört zum Sommer 2015 und enthält vor allem solche Themen.In erster Linie sind das im vorleigenden Heft Fragen der Normung, Haltbarkeit und Alterung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA). Ausgangspunkt ist die Auswertung zweier schwerer Unfälle durch Riß von in Mehrseillängentouren vorgefundenen Bandschlingen. Charakteristisch ist beiden Fällen, daß die Schlingen schon bei einer vergleichsweise geringen Belastung gerissen sind, nämlich beim Ablassen (Torope). Untersuchungen an den Schlingenresten haben erschreckend geringe Restzugfestigkeiten ergeben, vor allem an den Stellen, wo sie besonders dem Wetter ausgesetzt waren. Das gibt zu folgenden Empfehlungen Veranlassung:

  1. Vorgefundene Schlingen sollten äußerst kritisch gesehen werden. Im Zweifelsfalle sollte man die entsprechenden Stellen (Stände, Zwischensicherungen) mit eigenen Schlingen verstärkt werden. Man sollte sich auch nicht darauf verlassen, daß die vorgefundene Schlinge den Seilpartner gehalten hat und die eigene Schlinge dann wieder wegnehmen. (Das genau war bei einem der beiden Unfälle das Problem.)
  2. sollte man auch mit den eigenen Schlingen kritischer umgehen. Textilmaterialien altern, sobald der Faden die Spinndüse verlassen hat. So schmerzlich es für den Geldbeutel auch ist, sollte man Schlingen gleich welcher Art abhängig von Nutzungsdauer und Gebrauchspuren regelmäßig ersetzen. Das gilt auch für die in Keile und Friends fest eingenähten Schlingen. (Ob deren Hersteller Ersatz leisten, ohne daß man gleich einen neuen Friend kaufen muß, muß sich zeigen.)
    Mammut hat in der Gebrauchsanleitung für Schlingen folgende Nutzungsdauern empfohlen:
    Niemals benutzt: 10 Jahre
    Ein bis zweimal im Jahr: 7 Jahre
    Monatlich: 5 Jahre
    Mehrmals im Monat: 3 Jahre
    Wöchentlich: 1 Jahr
    Praktisch täglich: Weniger als ein Jahr
  3. Die Lebensdauer hängt natürlich auch vom Material ab. So schön leicht und gut handhabbar dünne Dyneema-Schlingen wie die 8 mm breite Mammut Contact Sling sind, umso eher sind sie auch Kandidaten für eine Erneuerung. Also sollte man sich überlegen, ob man auf andere Materialien wie das klassische Polyamid oder andere Verarbeitungen wie Edelrid TechWeb ausweicht. Letzteres hat einen Polyamid-Mantel um den Dyneema-Kern und stellt einen guten Kompromiß zwischen Masse und Alterungsbeständigkeit dar.
  4. Man muß auch immer berücksichtigen, daß Knoten die Zugfestigkeit von Schlingen entscheidend schwächen. Als Faustformel sollte man von 50% ausgehen. Auch hier schneidet Dyneema meist schlechter ab als Polyamid oder Polyester. Deswegen muß man unbedingt vermeiden, solche Schlingen abgeknotet im Einfachstrang zu verwenden, z.B. beim Aufbau des Stands. Das zeigt eine ganz einfache Rechnung:
    Eine ungeknotete vernähte Bandschlinge hält neu nach Norm 22 kN. Die veknotete hält nur noch die Hälfte davon, im Einzelstrang dann eben nur noch ca. 5 kN. Wenn diese Schlinge dann schon ein paar Jahre alt ist, dann kann es am Standplatz schon grenzwertig werden.

Frank Haney
Ausbildungsreferent

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